Das Tote Gebirge
Von der Wildenseealm zur Pühringerhütte
Von der Wildenseealm zur Pühringerhütte
In den topografischen Karten sind Dolinenzonen ersichtlich und in der Landschaft oft als kleine Mulden erkennbar. Eine gut angelegte Spur ist extrem wichtig, manchmal zeigen Skimarkierungen den besten Weg. Bei unserer massiven Schneelage sind wir momentan sicher. Sogar die dichten Latschen sind völlig unterm Schnee begraben. Das Tote Gebirge, exponiert am Nordrand der Alpen, ist oft durch Nordstaulagen schneebegünstigt und bekam im Wintereinbruch im Jänner 2019 noch mehr weißes Gold ab als der für den Wintersport viel berühmtere Arlberg. Stellenweise lagen bis zu zehn Meter Schnee – und der Loser war damit der Schneehöhen-Gewinner in ganz Österreich.
Ein paar Lärchen und Fichten wachen in der bitterkalten Nacht um die Wildenseehütte. Der Himmel, kaum mit Licht verschmutzt, lässt Sterne und Mond heller leuchten, als man es im Tal je sehen könnte. Früh am Morgen färbt sich der Himmel rund um den nahen Dachstein hellblau bis zartrosa wie ein Babyzimmer.
Sanft steigt unsere Spur vorbei am Albert-Appel-Haus. Keine zwei Stunden später stehen wir auf dem Gipfel des Redenden Steins und haben uns wenig zu sagen. Sprachlos drehen wir uns nicht nur einmal um die eigene Achse – und da ist weit und breit nichts anderes mehr zu sehen als dieses winterliche Weiß. Man kann nur erahnen, dass hinter den Höhepunkten des Plateaus steile Wände bis zu 1 400 Meter in die tiefen Täler abfallen.
Wie sanfte Wellen wirken die Buckel und Mulden hier oben, vereinzelt werfen Felsinseln den Schatten einer Haifischflosse. Wie eine steile Brandung stellt sich der Salzofen dazwischen. Hinter uns und vor uns: eine endlose Winterlandschaft.
Nach fünf Stunden Spurarbeit und zwei kurzen Abfahrten – eine im Pulver, eine im Firn – erreichen wir den Stützpunkt für diese Nacht, die Pühringerhütte. Heute sind wir dran mit dem Aufsperren, dem Feuermachen und Schneeschmelzen. Im Winterraum ist nicht mehr alles so, wie es früher einmal war. Leider hatten zuletzt vermehrt schwarze Schafe Getränke geplündert, das Holz verheizt, viel Müll, aber kein Geld zurückgelassen, sodass Hüttenwirt Franz Schanzl schweren Herzens dem einen Riegel vorschieben musste.
Die Hütte ist im Winter nur noch mit einem Schlüssel zugänglich, den man sich beim Alpenverein ausleihen kann. Es kann natürlich vorkommen, dass kein Holz mehr da ist oder die Betten belegt sind. Einen Gaskocher, warmen Schlafsack und ausreichend Zeitreserven mitzubringen, ist mehr als ratsam.
Weitere tolle Einblicke und Hintergrundinfos zum Toten Gebirge findet ihr im Buch „Das Tote Gebirge – Lebenswelten in einem Naturparadies“.